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Interventionelle Elektrophysiologie

Invasive Elektrophysiologie

Seit dem Jahre 2001 werden in der klinischen Elektrophysiologie und Rhythmologie der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen / Internistische Intensivmedizin alle Formen der angeborenen und erworbenen Herzrhythmusstörungen behandelt. Modernste Techniken wie elektroanatomische Mappingsysteme mit Integration von Kardio-CT oder Kardio-MRT-Bildern stehen ebenso wie die Cryoablation zur Verfügung.

Die Untersuchung wird ohne Vollnarkose mit lokaler Betäubung der Einstichstelle, meist im Bereich der rechten Leiste, durchgeführt. Zwei, manchmal auch drei Katheter werden durch die Leistenvene zum Herzen vorgeführt. Dort werden die Katheter unter Röntgenkontrolle platziert und die elektrischen Messungen im Herzen durchgeführt. Falls die diagnostizierte Herzrhythmusstörung einer Verödungstherapie (Ablation) zugänglich ist, wird die Behandlung in gleicher Sitzung durchgeführt. Die Verödung kann einen leichten Druck in der Brust auslösen, der einige Sekunden anhalten kann. Starke Beschwerden bereitet die Ablation in der Regel nicht. Dabei ist die Dauer der Untersuchung sehr stark abhängig von der zugrundeliegenden Rhythmusstörung, dauert jedoch meistens nicht länger als 1 bis 1 ½ Stunden. 

AV-Knoten-Reentry-Tachykardien, AV-Reentry-Tachykardien und WPW-Syndrom

AV-Knoten-Reentry-Tachykardien, AV-Reentry-Tachykardien und das WPW-Syndrom sind angeborene Herzrhythmusstörungen, die häufig bereits in der Jugend auftreten, jedoch auch im späteren Alter erstmals klinisch manifest werden können. Hierbei handelt es sich um ein anfallsartiges Herzrasen mit plötzlichem Beginn und plötzlichem Ende. Dieses wird von den Patienten meistens als Herzrasen verbunden mit Luftnot oder Schwindel bis hin zu Präsynkopen oder Synkopen verspürt. Zum Teil gelingt es, die Rhythmusstörung durch Manöver, wie das Trinken von kaltem Wasser oder das Pressen in den Bauch, selber zu beenden.

Der pathophysiologische Hintergrund bei AV-Knoten-Reentry-Tachykardien sind zwei voneinander getrennte elektrisch geleitete Strukturen im rechten Vorhof, die in einer gemeinsamen Endstrecke, dem AV-Knoten, enden. Diese zwei elektrisch geleiteten Strukturen mit unterschiedlichen Leitungseigenschaften können in der elektrophysiologischen Untersuchung nachgewiesen werden. Zur Behandlung der Rhythmusstörung eignen sich Medikamente nicht. Daher ist die Therapie der Wahl, während der elektrophysiologischen Untersuchung eine der beiden Bahnen zu veröden (Ablation).

Bei AV-Reentry-Tachykardie und dem WPW-Syndrom liegen nicht wie bei der AV-Knoten-Reentry-Tachykardie zwei elektrische Leitungsstrukturen im rechten Vorhof vor, die gemeinsam in einer gemeinsamen Endstrecke, dem AV-Knoten enden, sondern außerhalb des AV-Knotens besteht eine weitere elektrisch leitende Struktur, die die Vorhöfe mit den Herzkammern verbindet. Dadurch kann es zu elektrischen Erregungskreisen kommen, die über den AV-Knoten und die zusätzliche Leitungsbahn die Vorhöfe und die Kammern elektrisch aktivieren. Auch hier erfolgt während der elektrophysiologischen Untersuchung die Lokalisation der zusätzlich leitenden Struktur zwischen den Vorhöfen und der Kammer. Die Therapie der Wahl ist die Ablation und Verödung der zusätzlichen Leitungsstruktur, so daß nachfolgend ein geordneter Rhythmus über dem AV-Knoten erfolgt. 

Vorhofflattern

Beim Vorhofflattern besteht pathophysiologisch ein fest vordefinierter anatomisch-elektrischer Reentry-Kreis durch den rechten Vorhof. Je nach elektrischem Stromfluß im Bereich des rechten Vorhofes unterscheidet man typisches von atypischem Vorhofflattern. Zudem können weitere Formen von Vorhofflattern bei Patienten auftreten, die Narben z.B. nach Herzoperationen im Bereich des rechten Vorhofes aufweisen. Ziel der elektrophysiologischen Untersuchung ist es, bei Vorhofflattern den anatomischen Reentry-Kreis zu durchbrechen. Dabei wird eine Ablationslinie derart gezogen, daß die kreisende Erregung abbricht und nicht wieder auftreten kann. Die Erfolgsrate beträgt hierbei 95 %. Bei atypischem Vorhofflattern aufgrund von Narben im Herzvorhof ist die elektrophysiologische Untersuchung häufig deutlich komplexer und 3-dimensionale Mappingsysteme werden verwandt, um den genauen Ablauf des elektrischen Reentry-Kreises darzustellen und eine erfolgreiche Ablationstherapie durchführen zu können. 

Vorhofflimmern

Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung beim Menschen, die mit dem Alter deutlich zunehmend ist. Pathophysiologisch ist der Entstehungsort des Vorhofflimmerns in der Regel der linke Vorhof. Hier kommt es insbesondere im Bereich der Einmündung der Lungenvenen in den linken Vorhof zu elektrischen Indifferenzen, die das Vorhofflimmern auslösen können. Zudem stellt eine zunehmende Fibrosierung des Vorhofes einen Faktor dar, der die Unterhaltung des Vorhofflimmerns fördert, wenn dieses einmal aufgetreten ist. Die Fibrosierung der Vorhöfe nimmt mit dem Lebensalter deutlich zu. Zudem wird die Fibrosierung durch einen Druckanstieg im Vorhof gefördert, die insbesondere bei Patienten mit einem arteriellen Bluthochdruck, einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) oder Herzklappenerkrankung auftritt.

Formen von Vorhofflimmern

Man unterscheidet prinzipiell vier Formen von Vorhofflimmern bezüglich ihres zeitlichen Verlaufes:

1. Paroxysmales (anfallartiges) Vorhofflimmern: Dauer von Sekunden bis über Stunden bis max. 7 Tage mit spontaner Terminierung. 

2. Persistierendes Vorhofflimmern: Länger als 7 Tage anhaltend oder frühere Terminierung durch Medikamente oder Elektroschock.

3. Lang anhaltendes persistierendes Vorhofflimmern: Kontinuierliches, länger als 1 Jahr anhaltendes Vorhofflimmern, das medikamentös oder durch Elektrotherapie beendet werden und in Sinusrhythmus überführt werden kann.

4. Permanentes Vorhofflimmern: Das Vorhofflimmern ist durch eine medikamentöse oder elektrische Kardioversion nicht oder nicht sinnvoll terminierbar.

Therapie des Vorhofflimmerns

Grundsätzlich kann man zwischen zwei Therapieformen unterscheiden. Die eine Therapieform stellt die Frequenzkontrolle beim Vorhofflimmern dar. Hier wird das Vorhofflimmern als Rhythmusstörung akzeptiert und belassen, es erfolgt jedoch eine medikamentöse Kontrolle der Herzfrequenz, die ansonsten bei Vorhofflimmern deutlich zu schnell sein kann. Als alternative Therapieform besteht die rhythmuskontrollierende Therapie. Hierbei wird versucht, das Vorhofflimmern zu beenden und dauerhaft in den regelrechten Sinusrhythmus zu überführen. Patienten im Sinusrhythmus sind in der Regel leistungsfähiger und beschwerdeärmer. Beide Therapien weisen jedoch bezüglich der Lebenserwartung die gleiche Prognose auf. Wesentlich für die Prognose ist, daß eine konsequente blutverdünnende Therapie (orale Antikoagulation) bei Vorhofflimmern durchgeführt wird. Bei der rhythmuskontrollierenden Therapie ist sowohl eine medikamentöse als auch eine ablative Therapie (Katheterablation) möglich. Während früher der medizinische Ansatz war, zuerst eine rhythmusstabilisierende Therapie mit Antiarrhythmika (Herzrhythmus-Medikamente) durchzuführen, hat sich heutzutage gezeigt, daß eine Ablationstherapie möglichst früh durchgeführt werden sollte.

Vorhofflimmerablation

Bei der Vorhofflimmerablation werden die Katheter über die Herzscheidewand der Vorhöfe vom venösen System des rechten Herzens in den linken Herzvorhof vorgeführt (transseptale Punktion). Nachfolgend werden in Abhängigkeit von der Untersuchungsmethode weitere Katheter in den linken Vorhof vorgebracht. Bei der Cryoablation erfolgt die Platzierung eines Ballonkatheters in den Einmündungsstellen der Lungenvene in den linken Vorhof. Der Ballonkatheter wird mit Stickstoff expandiert (aufgeblasen). Der Stickstoff führt zu einer Erfrierung mit nachfolgender Vernarbung im Bereich des Überganges der Lungenvene zum linken Vorhof. Dieses resultiert in einer elektrischen Blockierung. Dadurch können die elektrischen Irritationen der Lungenvene nicht mehr in den linken Vorhof übertreten und Vorhofflimmern kann nicht mehr im linken Vorhof ausgelöst werden.

Als Alternative steht das 3-dimensionale Mapping-System zur Verfügung. Hier werden die anatomischen Strukturen initial durch eine Cardio-CT-Untersuchung oder ein Cardio-MRT gewonnen und in die Computer der Katheteranlage eingespeist. Die elektrischen Informationen werden durch Elektrokatheter aus dem Herzen abgeleitet und in der Computeranimation in die anatomischen Strukturen eingebettet. Hierdurch ist eine gezielte elektroanatomische Ablation genau der Strukturen möglich, die für das Entstehen oder das Unterhalten des Vorhofflimmerns verantwortlich sind. Als 3-dimensionales Mappingssystem steht dem Klinikum Kassel das derzeit modernste System Rhythmia® de Firma Boston zur Verfügung.

Ventrikuläre Extrasystolen und ventrikuläre Tachykardien

Ventrikuläre Extrasystolen sind Extraschläge, die aus den Herzkammern erfolgen und die normale rhythmische Abfolge der Herzaktionen unterbrechen. Diese entstehen häufig im Bereich des Überganges aus der Herzkammer zur Lungenarterie (rechts ventrikulärer Ausflußtrakt: RVOT), können jedoch auch im Bereich des links ventrikulären Ausflußtraktes (LVOT) oder nach Herzinfarkt im Bereich der Herzmuskelnarbe entstehen. Während der elektrophysiologischen Untersuchung wird hier der Ort (Fokus) der ersten elektrischen Aktivierung und somit der Ort der Entstehung der Extrasystolen aufgesucht und mittels Verödungstherapie behandelt. Hierdurch können die Extrasystolen größtenteils gänzlich eliminiert werden, zumindest eine dramatische Reduktion der Extrasystolen kann nahezu immer erreicht werden.

Ventrikuläre Tachykardien sind Attacken von Herzrasen aus den Herzkammern. Diese entstehen häufig bei deutlich vorgeschädigtem Herzen nach ausgeprägten Herzinfarkten oder bei primären Herzmuskelerkrankungen wie Kardiomyopathien. Hier wird in der Regel mittels der modernen 3-dimensionalen elektroanatomischen Mappingverfahren (Rhythmia®) die genaue Pathophysiologie der Rhythmusstörungen dargestellt und durch gezielte Ablationsstraßen versucht, diese Rhythmusstörungen in ihrem Entstehen zu verhindern bzw. den zugrundeliegenden Makro-Reentry-Kreis zu durchbrechen.

So erreichen Sie uns:

Dr. med. Kyong-Mi Weidmann

Ärztliche Leitung Elektrophysiologie

Dr. med. Kyong-Mi Weidmann

Ärztliche Leitung Elektrophysiologie